Predigt am Aschermittwoch, 18.02.2015, über Matthäus 6,16-21
Liebe Schwestern und Brüder,
mit dem heutigen Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit.
Der richtige Moment, um uns von Jesus
noch schnell ein paar Fastentipps geben lassen.
Aber im Predigttext - und daher auch in der Predigt -
geht es um mehr als ums Fasten.
Wie es auch beim Glauben generell um mehr geht
als um die Äußerlichkeiten,
die uns oft mehr beschäftigen als die Inhalte.
Jesus spricht:
Wenn ihr fastet, seid nicht so
wie die verdrießlichen Scheinheiligen,
die ihr Gesicht unter einer Schicht Dreck verschwinden lassen,
damit die Leute sehen, dass sie fasten.
Wirklich, ich sage euch, sie haben damit
den Lohn für ihr Fasten schon erhalten.
Wenn du aber fastet, parfümiere dein Haar
und wasche dein Gesicht,
damit nicht die Leute sehen, dass du fastest,
sondern dein Vater, der verborgen ist.
Dann wird dein Vater, der in das Verborgene sieht,
es dir vergelten.
Sammelt euch nicht Schätze auf Erden,
wo Motte und Holzwurm sie verschwinden lassen
und wo Diebe einbrechen und stehlen.
Sammelt euch aber Schätze im Himmel,
wo weder Motte noch Holzwurm sie verschwinden lassen
und wo Diebe nicht einbrechen und auch nicht stehlen.
Denn wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.
Der Predigttext setzt mit der Frage
nach dem "richtigen" Fasten ein.
Offenbar kann man da einiges falsch machen.
Tatsächlich bedeutet Fasten nicht,
dass man einfach zu essen aufhört.
Wer fastet, bereitet sich gut darauf vor;
auch beim Fasten selbst muss man Regeln beachten,
damit man seinem Körper nicht damit schadet.
Wenn man fastet, verzichtet man ja nicht nur auf Nahrung -
um des Glaubens willen, wie im Predigttext,
oder um ordentlich Pfunde zu verlieren
und eine schlankere Figur zu bekommen,
was wohl heute eher der Beweggrund sein dürfte.
Das Fasten entschlackt und entgiftet den Körper.
Dadurch, dass der Körper vom Eingemachten lebt,
wird unnützer Ballast abgebaut
und allerhand Dreck ausgeschieden,
der sich im Laufe der Zeit angesammelt hat.
So kommt es, dass Fastende ziemlich unangenehm riechen.
Deshalb spielt Körperpflege beim Fasten eine wichtige Rolle.
Zur Zeit Jesu aber legten es die frommen Leute
geradezu darauf an,
dass man schon von weitem riechen
und sehen konnte, dass sie fasteten.
Ihnen war es nicht peinlich,
dass sie den Nasen und Augen ihrer Mitmenschen
einiges zumuteten -
im Gegenteil: sie waren sich sicher,
von den anderen für ihren Glaubenseifer bewundert zu werden.
Sie wuschen sich nicht,
sie benutzten keine Seife und kein Parfum,
sodass bald, wie Jesus etwas überspitzt formuliert,
ihr Gesicht unter einer Schicht Dreck verschwand.
Das Gesicht verschwinden lassen,
um so erst recht gesehen und wahrgenommen zu werden,
das klingt widersprüchlich, und das ist es auch.
Normalerweise zeigt man sein Gesicht.
Man lächelt zurück, wenn man angelächelt wird.
Aber hier wird das Gesicht,
das anderen durch ein Lächeln Freude macht,
verdüstert und versteckt,
um die Freude für sich zu behalten.
Das ist wie mit den Schätzen im zweiten Beispiel:
auch die werden in Kisten und Truhen versteckt,
um sie ganz allein für sich zu behalten.
Das ist denn auch der Lohn - der Genuss, den man davon hat:
Man hat sein Lächeln, seine Reichtümer ganz für sich allein.
Man genießt die Bewunderung und den Neid der anderen,
die nicht fasten oder die nicht so reich sind.
Allerdings ist dieser Lohn nicht von Dauer, er verschwindet:
Motten zerfressen die wertvollen Kleider,
Holzwürmer zernagen die hölzernen Truhen mit den Schätzen.
Diebe tragen weg, was nicht niet- und nagelfest ist.
Heute müssen wir uns kaum noch Sorgen
wegen Motten oder Holzwürmern machen:
die Werte, die wir besitzen, sind in der Regel vor ihnen sicher.
Und auch Diebe haben es nicht mehr so leicht,
bei uns einzubrechen,
zumal wir die wahren Werte gar nicht zuhause lagern,
sondern auf der Bank.
Da sind sie vor Dieben ebenso sicher wie in Abrahams Schoß.
Glaubten wir.
Aber nun wird unser Geld auf der Bank immer weniger,
weil es für Spareinlagen keine Zinsen mehr gibt.
Zwar ist das Geld nicht gleich weg,
aber statt dass der Haufen Jahr um Jahr wächst,
wird er Stück für Stück kleiner.
Jesus schlägt einen anderen Umgang mit unseren Schätzen vor -
dem Schatz unseres Lächelns ebenso
wie mit unserem materiellen Besitz.
Statt sie für uns allein zu behalten
und vor den Augen der anderen verschwinden zu lassen,
sollen wir sie zeigen, indem wir sie benutzen.
Immerhin zeigen die Fastenden, die Jesus kritisiert, auch etwas:
sie zeigen sich mit ihrem Fasten.
“Tue Gutes und rede darüber!”
Dieser Ratschlag hat das alte “Eigenlob stinkt” abgelöst -
das ziemlich direkt vom heutigen Predigttext abgeleitet sein könnte, wenn wir uns daran erinnern,
wie nötig die Körperpflege beim Fasten ist.
Die Leute dürfen ruhig sehen und wissen,
was ich geleistet habe.
Mir tut es gut, wenn meine Leistung
gewürdigt und bewundert wird.
--- “Gut”, sagt Jesus, “das kannst du machen.
Aber dann wird das Ergebnis deines Tuns schnell verschwinden.
Denn du bleibst abhängig
von der Anerkennung durch die anderen.
Du wirst immer und immer wieder
etwas leisten und dich zeigen müssen,
damit die Leute dich auch weiterhin bewundern und respektieren.
Bei Gott dagegen hast du das nicht nötig.
Gott freut sich über das, was du leistest.
Aber du musst es nicht tun, um Gott etwas wert zu sein.
Gott respektiert dich so, wie du bist,
und erkennt das an, was du bist.
Du musst dich also entscheiden,
auf wessen Anerkennung du dich setzen willst:
auf die Gottes, oder auf die deiner Mitmenschen.”
Ähnlich verhält es sich mit den irdischen Schätzen.
Es ist klug, sich etwas auf die hohe Kante zu legen,
für das Alter oder für eventuelle Notlagen vorzusorgen.
Schlimm, wer im Alter in Armut leben muss.
Aber alle Versicherungen, Anlagepakete und Sparstrümpfe
können uns nicht vor dem bewahren,
was das Alter vor allem so erschreckend macht:
Krankheit, Einsamkeit, Hilflosigkeit.
Mit Jesus wäre zu fragen,
ob wir mit unserer Altersvorsorge
wirklich die richtige Anlageform gewählt haben:
Ob es nicht besser wäre,
statt auf Geld auf soziale Kontakte zu setzen:
auf einen Freundeskreis, auf den man sich verlassen kann
und mit dem man auch im Alter noch Zeit verbringen möchte.
Ob es nicht besser wäre,
statt in Fonds in Infrastruktur zu investieren:
dafür zu sorgen, dass die Kirche im Dorf bleibt,
und auch der Bäcker und der Fleischer,
damit man dann,
wenn man nicht mehr so weit laufen oder fahren kann,
immer noch alles vorfindet,
was man zum Leben braucht.
Ob es nicht besser wäre,
statt auf Rendite auf Menschlichkeit zu achten
in den Krankenhäusern und Altersheimen,
in denen auch wir eines Tages liegen werden,
damit sie keine Orte sind, vor denen man sich fürchtet,
sondern Orte,
in denen Menschen menschenwürdig versorgt werden.
Ob es schließlich nicht besser wäre,
statt auf die Macht des Geldes
auf die Macht Gottes zu vertrauen,
die sehr viel weniger greifbar,
die so schrecklich unberechenbar ist -
die aber niemals unmenschlich,
sondern an unserer Seite ist:
an der Seite derer, die schwach sind,
hilflos, ängstlich, krank, verfolgt.
Man darf aber nicht denken,
es ging Jesus um Äußerlichkeiten,
wenn er die Fastenden und Wohlhabenden so kritisiert.
Er will nicht durch die Blume sagen,
dass wir uns öfter mal waschen,
mehr spenden, unsere Bank
oder unseren Anlageberater wechseln sollten.
Jesus geht es um uns,
um unser Heilsein, unser Glück.
Unser wahrer Schatz ist im Himmel.
Wir vermehren ihn,
wenn wir uns selbstlos anderen Menschen zuwenden,
wenn wir ohne Hintergedanken anderen helfen,
wenn wir den manchmal so schweren Schritt
über die Schwelle des Nachbarn tun.
Dann bilden wir ein Guthaben
an Liebe und Mitmenschlichkeit,
das für ein ganzes Leben vorhält
und uns auch im Alter noch
die dunklen Stunden hell macht.
Vor allem aber haben wir dabei die Chance,
im Mitmenschen dem zu begegnen,
der uns über alles liebt
und der sein Leben für uns gab,
damit wir das Leben in Fülle haben.
Diesen wahren Schatz gilt es zu entdecken - jeden Tag neu.
Amen.